Woran macht man eigentlich fest, ob man einen Hafen mag oder nicht? Ich glaube, das beurteilt jeder anders. Jedem ist etwas anderes wichtig. Ich habe dieses Jahr mal über einen Hafen geschrieben, den ich sehr mag. Er taucht auch gleich in der Liste auf. Kurze Zeit später gab es einen Kommentar von einem Segler, der das überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Er fand den Zustand der Stege schrecklich, motzte über die Sanitärräume und über eine nicht vorhandene Infrastruktur. Ich fand’s trotzdem sehr schön dort. Warum? Weil ich nicht unbedingt den Zustand der Stege als Qualitätsmerkmal sehe. Ausserdem mag ich es manchmal auch leicht schreddelig.
Ich habe dieses Jahr ein paar Mal beobachtet, was Leute in Häfen eigentlich so machen. Dabei ist mir eine bestimmte Sorte besonders aufgefallen, es gibt sie wirklich: Sie legen an, trinken erst einmal an Bord ein Bier. Dann wird Strom gelegt. Danach geht man kurz zum Sanitärgebäude und – wenn vorhanden – zum Hafenbüro. Dann wieder zurück aufs Boot. Dort wird dann gekocht – wahlweise auch am Heckkorb gegrillt. Danach sitzt man noch im Schiff und geht dann schlafen. Morgens wird geduscht, an Bord gefrühstückt und dann abgelegt. In solchen Fällen sind die wichtigsten Punkte eines Hafens natürlich: Zustand der Anlage, Erreichbarkeit der Stromsäulen, WLAN-Netz sowie die Sanitärgebäude.
Da ich mich meistens im Umfeld des Hafens aufhalte – sicher auch mangels Aufenhaltsräumen an Bord – liegen meine Kriterien woanders. Niemand wird hier dieses Jahr übrigens einen Geheimtipp finden, der weit entfernt liegt. Weil ich nie weit entfernt war.
Genug gesabbelt – hier die Liste.
Platz 1: Lykken.
Der treuer Leser wird wissen, dass er nun nichts erfährt. Dem untreuen Leser lege ich diesen Artikel ans Herz.
So gern ich auch möchte – ich kann diesen Hafen niemals verraten. Es ist aber auch unerheblich, wo der Ort ist. Nur weil es mein Lieblingsort ist, muss das nicht für alle so sein. Ich glaube, für jeden Einzelnen gibt es solch einen Ort. Man muss ihn finden. Man darf ihn nur nicht suchen. Irgendwann kommt man zu ihm.
Platz 2: Ærøskøbing
“WAS?” – Ich verstehe, wenn jetzt jemand empört ist, weil Platz 2 nicht gerade ein Geheimtipp ist. Ærøskøbing ist ja so etwas wie das Disneyworld der Dänischen Südsee. Letztes Jahr wäre ich nie auf die Idee gekommen, diesen Hafen oben auf eine Liste zu setzen. Jedenfalls nicht auf eine Top-Rangliste. Eher auf die Liste der nervigsten Stromsäulen.
Warum also? Weil ich einen Schritt bewundere, den dieser Hafen vollzogen hat. Gegen jeden Trend wurden die Hafenautomaten, Tally-Card-Stromsäulen, Zugangskontrollen der Duschen etc einfach entfernt. Weg damit – war doof! Statt mit diesen albernen Guthabenkarten zu versuchen, irgendwie an Wasser zu kommen und stundenlang Geldscheine aus dem Automaten zurück zu bekommen, weil vor Jahren mal ein Eselsohr im Schein war, hört man nun Abends wieder das beliebte “Tock! Tock! Tock!” des Hafenmeisters, der an den Bugkorb klopft. Während in anderen Häfen Fingerprintsicherungen und Pupillen-IDs am Toilettenpapierabroller installiert werden, hat man hier diesen ganzen Krams einfach wieder in die Tonne getreten.
Man flucht keine Automaten an, sondern lacht Abends beim Schnack mit Frank Pedersen, der zum Kassieren ans Schiff kommt. Ich finde diesen Schritt so bemerkenswert, dass Ærøskøbing deshalb hier oben auf der Liste steht.
Frank – da Du hier ja öfters mitliest: bis zum nächsten Jahr! Ich komme auf schnellstem Wege vorbei. Ihr habt alles richtig gemacht! Großartig.
Platz 3. Skarø
Wer gern an Bord bleibt (siehe oben), mehr als 1,80m Tiefgang hat und auf moderne Stege steht, sollte besser nicht hinfahren.
Wer aber idyllische Plätze sucht, Ruhe, Entspannung, eine wundervolle Aussicht, das weltbeste Eis und eine einmalige Stimmung, der wird Skarø lieben. Ich tu’s.
Martin, der Eismann, den man in der Mitte des kleinen Dorfs findet, hat eine besondere Geschichte. Das “Is fra Skrø” ist schon seit langem in Dänemark eine Spezialität. Da es so aussergewöhnlich lecker ist, serviert die Königin ausländischen Staatsgästen dieses Eis als Dessert. Vor ein paar Jahren ist ein asiatischer Gast vor Begeisterung ausgeflippt. Und hat wohl in seiner Heimat davon erzählt. Ergebnis: Heute ist “Is fra Skarø” der Lieferant der First Class von Singapore Airlines. Auf einer 28 Personen Insel.
Kaum ein Hafen hat wohl so viele Tagesgäste. Viele Svendborger kommen einfach zum Eis essen rüber und legen Abends wieder ab. Daher sind Liegeplätze in der Saison auch rar und oft erst nach 18 Uhr zu bekommen.
Platz 4. Fjellebroen.
Ich war noch nie vorher dort. Bin hineingeweht worden – oder besser gesagt: unterwegs mangels Wind verhungert und In Fjellebroen gestrandet. Ich war auch nur ein paar Stunden da, weil dann wieder feinster Wind kam. Aber dennoch fand ich es ziemlich schön. Nichts besonderes, aber sehr idyllisch. Ein südfyn’scher Hafen der alten Garde. So wie ich das eigentlich mag. Ich könnte mich heute noch ärgern, dass ich mit dem guten Wind dann in Svendborg angespült wurde. Ich hätte in Fjellebroen bleiben sollen. Hole ich nächstes Jahr nach und gehe dann auf dem Wanderweg spazieren.
Platz 5. Ein doppelter Platz: Mommark und Fynshav.
Warum Mommark? Weil ich diesen Hafen liebe. Jetzt noch mehr denn je. Ich hatte immer die Befürchtung, dass mit einem neuen Besitzer hier ein anderer Wind weht. Mit Hafenautomaten, Erlebnisgastro und Edelrestaurant. Ist aber nicht so. Einen der neuen Besitzer habe ich kennen gelernt. Er hat mir erklärt, dass der alte Charme erhalten bleibt. Und das haben sie geschafft. Der ehemalige Kiosk/Imbiss ist umgebaut worden und nennt sich immer noch Imbiss, geht aber schon in Richtung Restaurant. Mit moderaten Preisen und sehr leckerem Angebot. Die Sanitäranlagen sind neu, der Hafen und die Einfahrt ausgebaggert und die wundervollen Leuchttürme frisch gestrichen. Aber Mommark ist immer noch Mommark. Und das ist gut so.
Warum Fynshav? Wer jemals morgens am Hafengebäude saß, weiss vielleicht, wovon ich rede. Dort sitzen immer ein paar alte Männer. Sie sitzen einfach da. Jeder ein Bier in der Hand. Und starren aufs Wasser. Alle 10 Minuten sagt einer ein Wort. Dann nicken die anderen, jeder trinkt einen kleinen Schluck Bier und dann schauen sie wieder aufs Meer. Jeden Tag. Unten im Hafen nebenan legen die Fähren im Takt an und ich habe oft mitgestarrt. Einen Tag in Fynshav – und Du weisst nicht mehr, welcher Tag ist.
Ich war 5 Tage dort, weil ich unter anderem für einen Freund ein Musikvideo geschnitten habe. Ich habe es dort sehr genossen.
So eine Liste ist schwer. Denn nun habe ich all die anderen wunderbaren Orte hier nicht aufgelistet. Bis auf wenige Ausnahmen hätte es alle verdient. Kann ja noch kommen.
Herrlich! “Während in anderen Häfen Fingerprintsicherungen und Pupillen-IDs am Toilettenpapierabroller installiert werden,” haha, genau so ist es!
….Ich hätte auch noch einen wahren Geheimtip für Dich. unter 4 Augen. (-;
Ein toller Bericht und wir werden den einen oder anderen Hafen auch in der nächsten Saison anlaufen. Für uns stand Ærøskøbing auch ganz weit vorne auf unserer Liste, wenn es auch nur eine Nacht im Handelshafen und im Päckchen war.
Es müssen nicht immer die weiten Törns sein um tolle Ziele zu entdecken. Selbst in einem großen Hafen wie Bagenkop kann es schön sein. Abends bei Sonnenuntergang mit der Tochter im Dingi zur Steilküste fahren – einfach toll. Oder nach Marstal, der Hafen ist zwar hoffnungslos überfüllt, aber wenn man dann abends am Strand bei den kleinen Häuschen aufs Meer schaut ist die Welt wieder in Ordnung.
Für die nächste Saison haben wir uns fest vorgenommen mehr kleine Häfen anzusteuern und mehr zu ankern als immer nur im Hafen zu liegen.
Ich vermisse ja Grenaa auf der Liste
)… Vielleicht erinnerst du Dich an deinen gern gehörten Vortrag im Hotel Reimers, Kiel.
Klasse Rangliste und wundervolle Beschreibung der Häfen.
Ingo. Ha ha. Natürlich erinnere ich mich. Ich war aber dieses Jahr gar nicht dort. Und wenn alles glatt läuft, dann eh nie wieder.
gut gesprochen Digger, Fynshav hab ich angesteuert nach deinem bericht darüber – es war ein bemerkenswert schöner aufenthalt.
Korshavn hat noch einen Ranking Platz verdient, hat zwar einen Automaten, warum es diesen gibt kann man nur erahnen, wenn man dort gewesen ist.
Das sind für uns alles Häfen mit viel Erinnerungen an die ersten Jahren auf der Ostsee. Ist lange her. Aber ein Ort fehlt aus unserer Sicht. Das war jedes Jahr die erste Ansteuerung : Drejö. Und immer mit dabei Frank Schmidts Buch: “Nie wieder Calais- Immer wieder Drejö”. Und jedes Jahr quer über die Insel zum alten Hafen, der mal der einzige war. Kaum vorstellbar. Auf dem Rückweg ins Inselkaffee mit selbstgemachten Kuchen und zwei liebreizenden Wirtinnen.Und so weiter und so weiter!
Ich ergänze also Drejö.
Den Hafenmeister in Aerösköbing haben wir auch beglückwünscht, was hatten wir vorher für einen Ärger an den Automaten.
Stefan, danke für deine Mühe und die Anregungen und Einfälle. Ein gutes neues Jahr mit allem Drum und Dran
wünschen dir Ingrid und Rainer aus dem schönen Bremen!