Kurze Anmerkung vorweg zu diesem Artikel: Die Wassersportbranche leidet seit Jahren unter der Überalterung. Segler werden immer Älter, neue Segler kommen zu wenige nach. Werften gehen reihenweise pleite. Es wird nach Konzepten gesucht. Bisher anscheinend mehr oder weniger vergeblich.
Vor ein paar Tagen sah ich den Film einer Diskussionsrunde über die neue Varianta 37. Die Varianta 37 ist ein tolles Boot. Ein richtiger Schritt. Varianta-like. Ein Schiff ohne übertriebener Ausstattung, ohne Waschmaschine und Bundeskegelbahn im Vorschiff. Zu einem – für diese Bootsgröße – wirklich guten Preis. Und von der Werft auch ein mutiger Schritt. Das erste Boot geht für 77.777 Euro über den Tresen, danach staffelt es sich hoch. Der reguläre Preis liegt dann bei 89.000 Euro.
So weit, so gut. Doch dann wurde gesagt, die VA37 sei das neue “Volksboot”. Und da hakt es irgendwie. Bei so was komme ich ins Grübeln.
Ein “Volksboot” mit 37 Fuß? Knapp 12 Meter lang und 6,9 Tonnen Verdrängung? Ein Volksboot für rund 90.000 Euro! Hat das Volk so viel Knete? Kann das Volk 37 Fuß überhaupt segeln? Bekommt man so den Nachwuchs ran?
Früher gab es mal ein echtes Volksboot: die Varianta 65. Es gab auch mal einen echten Volkswagen: den Käfer. Merkmale beider Kisten war: sie waren sehr günstig, und sie waren klein. Mit geringen Folgekosten. Fast jeder konnte sich so was leisten.
Eine VA 37 kostet allein im Winterlager schon richtig Asche. Ohne dass man sie nutzt. Volksboot? Wie kann man so ein riesiges Teil so nennen? Sind 37 Fuß und 90.000 Euro der Weg, um wieder mehr Leute zum Segeln zu kriegen? Um Einsteigern die ganze Sache zu erleichtern? Hat man in der Branche etwa den Bezug zur Realität verloren? Eine neue Mercedes-Benz S-Klasse bekommt man ab 75.000 Euro. Und das ist kein Volkswagen. Welches Volk meinen die dann? Katar? Dubai?
Verglichen wird der Preishammer mit der Hanse 291, die vor 20 Jahren auch mit dem Preishammer verkauft wurde, einem Staffelpreis für die ersten Schiffe. Die erste Hanse kostete 44.444 Mark. Für die VA37 latzt der erste Käufer 77.777 Euro – das sind so ungefähr 150.000 Mark.
Den Begriff “Volksboot” sollte man vielleicht nicht einfach so verbraten. Sondern meiner Ansicht nach für ein wirkliches Volksboot aufheben. Nicht für ein Boot, dass lediglich in seiner Größe wirklich günstig ist. Bisher wurden glaube ich 5-6 Stück verkauft. Das ist gut. Das Volk ist aber dann doch irgendwie größer.
Du hast mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen. Wenn ich mich allerdings so umhöre in meinen Bekanntenkreis, so wäre die Größe genau das richtige Boot. Allerdings ist so eine Größe gleichzeitig weit ausserhelb deren Reichweite. Bis sie sich so einen Kahn leisten können, können sie nicht mehr
So verrückt ist unsere Gesellschaft: fahren Autos, die sie sich kaum leisten können, wollen Boote, die zum “richtigen” Wohnen taugen. Und wenn, haben sie keine Zeit und legen sich krumm damit der Pott im Hafen rumdümpelt. Zwischen “haben wollen” und “kaufen können” liegen halt Welten und ich bin gespannt, wie lange die Werften vom Prinzip “Hoffnung” überleben können.
Artikel und Kommentar stimmen!
Es müssen aber noch mehr Leute begreifen, das das Glück nicht in einem schwimmenden Ferienhaus liegt!!!
Die Werbung (früher sagte man noch Propaganda dazu) hat die Leute so hirngewaschen, das sie sich mit einem Varianta 65 ähnlichen Boot popelig vorkommen würden.
Die haben alle das Bild von fetter Yacht mit sich im Bikini auf dem Vordeck lümmelnden Blondine im Kopf. Mit etwas kleinerem kann man ja nicht protzen und insofern ja auch nicht glücklich werden. Das Volk will Prunk weil es ihn wollen soll.
So lange die “Haste was dann biste was” – Denke weiter so gepflegt wird, will keiner nen Käfer sondern nen SUV.
Und wenn es nur ein Käfer ist der wie ein SUV Verkleidet ist und drei mal soviel kostet wie ein Käfer ohne alberne SUV Karosse.
Und so kloppen sie Überstunden ohne Ende um sich die Raten für ihr goldenes Kalb vom Munde abzusparen. Nur haben sie keine Zeit mehr dann ums Kalb zu tanzen.
Nach 2 Jahren wird das Prestigeobjekt mit Verlust verkauft und der einzige Schluss den die Leute dann ziehen ist: “Segeln macht irgendwie keinen Spaß…”
Insofern begrüsse ich diesen Blog, der zum nachdenken anregt.
Die Hanse 370 / Varianta 37 sind eher keine schwimmenden Ferienhäuser, sondern eher flotte Segler, die auch noch ausreichend Lebensraum bieten. Mit einer gepimpten 370 / Varianta 37 kann man auch den Xen und Firsts Paroli bieten.
Und mit dem Einstandspreis der Varianta 37 kann es sich der Eigner erlauben, das Schiff so auszurüsten, wie er es braucht, ob für die Tour oder die Regatta.
Segeln ist kein Volkssport, daher die Varianta auch mit Sicherheit kein Volksboot, aber eine sehr interessante Alternative zu den BavBeneHanse vollausgestatteten Booten und zu den segelnden Wohnzimmern a la HR / Najad; dabei aber nicht so nackt wie eine reine Regattazicke…
Jan
Ich bin ganz deiner Meinung. Zuerst habe ich mir den Film angesehen und dabei genau das gedacht was du hier schreibst. Welche junge “normal verdienende” Familie kann sich mal so eben ein Schiff leisten für schlappe 77.777 Euro? Für ein Segelboot würde ich niemals so viel Geld ausgeben, zumal die Folgekosten nicht gering sind.
Es gibt nur eine Volksboot. Fall abgeschlossen.
Es. gab schon immer Versuche, das “Volksboot” zu entwerfen. In Skandinavien war es in den 40er Jahren das Folkeboot, das aus einem Wettbewerb hervorgegangen ist und der breiten Masse das Segeln auf der Ostsee ermöglichen sollte.
In Deutschland gab es einmal den Versuch mit dem von Hans Domitzlaff entwickeltem Walboot, einem Sperrholz Knickspanter. Kennt keiner mehr. Bei uns an der Schlei gibt es wohl noch eins oder zwei.
Die Varianta 37 ist definitiv kein Volksboot, sondern ein PR-Gag der Werft. Das einzige wirkliche Volksboot ist wohl das Folkeboot, obwohl der Neupreis von knapp 47.000 € eher dagegen spricht.
Ganz richtig. Aber Segeln war in Deutschland noch nie Volkssport. Die Arbeitersegelvereine waren die Ausnahme von der Regel. Schon vor Jahren hab ich mich geärgert über einen elitären Yacht-Titel: “Klasse für die Masse”. Vorgestellt wurde ein Boot für den Grundpreis von rund 100 000 Euro. Allerdings haben wir momentan einen unglaublich preisgünstigen Gebrauchtbootmarkt.
Hallo Stefan,
mich würde interessieren, ob auf der Hanseboot preisgünstige (= 9 m) Langfahrtyachten angeboten wurden. Mit einer Varianta 37 würde ich nicht über den Atlantik segeln wollen.
Dir viel Spass weiterhin und eine Handbreit,
Birgit
äh vertippt, ich meinte:
“….mich würde interessieren, ob auf der Hanseboot preisgünstige (9 m) Langfahrtyachten angeboten wurden. Mit einer Varianta 37 würde ich nicht über den Atlantik segeln wollen.”
*grummel* da läuft was falsch, neuer Versuch:
preisgünstige , d.h. kleiner als 100000 Euro und hochseetüchtige, d.h. u.a. > 9m
….mit den Koordinaten hast Du auf dem Gebrauchtmarkt freie Auswahl!