Eindringliche Warnung an alle Segler!

Sonnenauf/-untergang, Windstärke, Windrichtung, Wellenhöhe, Nahrungszubereitung.

Diese Eckdaten waren in den vergangenen 3 Monaten die wichtigsten Parameter eines jeden Tages. Alles andere ist Pillepalle. Wochentag? Mir doch egal. Geschäftszeiten? Mir doch egal. Zeitdruck? Kenne ich nicht.

Nahezu alles, was zuhause den Alltag und das Leben bestimmt, ist auf einer Seereise unwichtig. Und gerät auf einer längeren Seereise fast völlig in Vergessenheit.

Dazu kommt, dass man Auto- und Stadtlärm vergisst. Klar, ab und zu fährt man auch in größere Städte. Aber man ist nur Besucher, nicht Teil der Masse. Man kann jederzeit wieder raus aus dem Lärm, der Hektik.

Schön. Schön? Ja. Aber nur, solange die Reise dauert. Danach wird’s hart.

Ich erwarte weder Mitleid noch Mitgefühl. Ich weiss auch, dass es ein sehr großer Luxus ist, den ich mir gönne. Aber jetzt – hier in der Millionenstadt – ist der Aufschlag hart. Sehr hart.

Wozu führt das? Das man wieder los will. Und “will” wird schnell zu “muss”. Je öfter und länger ich segle, desto mehr will ich wieder los. Immer stärker wird dieser Drang nach all dem Schönen der letzten Monate. Ich liebe Hamburg, ich freue mich sehr auf meine Freunde aber ich habe eine andere Ebene des Lebens kennen gelernt. Und die kann zur Sucht werden. Mit und von der Natur leben – nach all den Geräten, Klingeltönen und Zeiten, die unser Leben bestimmen, siegt das Leben auf und an der See langsam über den Alltag.

Wohin das führt? Ich weiss es nicht. Ich spüre nur, dass der Drang, mal länger wegzusegeln, immer größer wird. Und im Geheimen arbeite ich schon dran, diesen Plan auch mal in die Tat umzusetzen. Es geht nicht mehr anders.

Ich warne daher jeden, sich öfter auf längere Segelreisen zu begeben. Es kann Besitz von einem nehmen. Und man läuft Gefahr, dass man das nicht mehr los wird. Keine Ahnung, ob das gut oder schlecht ist. Es wird sich zeigen.

Ich habe mich früher, als ich zum Beispiel das erste Mal diese wunderbaren Bücher von Wilfried Erdmann las, gefragt: Warum macht man sowas? Mittlerweile komme ich einer Antwort etwas näher. Allein nonstop um die Welt würde und werde ich nie machen, machen wollen. Aber ich verstehe immer mehr, was einen dazu treibt.

Weitergehende Lektüre: Interview im STERN mit Kicki Ericson und Thies Matzen.

Nachtrag: Ein Leser dieses Blogs hat mir eben was geschickt. Hat er sich selbst mal gebastelt, weil es ihm auch so geht wie vielen. Danke dafür!

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6 Gedanken zu “Eindringliche Warnung an alle Segler!

  1. Der Beitrag spricht mir aus dem Herzen. Ich war mit meiner Familie 6 Wochen im Sommer unterwegs und fand es auch mehr als hart in den Alltag zurückzukommen. Auch ich träume immer mehr vom Ausstieg. Wir haben in der Zeit nichts vermisst.

  2. Gestern war ich 2 Stunden mit meiner VA 18 auf dem Kollersee unterwegs – alle 15-20 Minuten eine Wende, weil die “Pfütze” so klein ist und 2 Bft. “so viel Wind” sind.
    Auch da wirkt der Virus bei mir schon, mal viel (in Buchstaben: Victor India Echo Lima) länger unterwegs zu sein.

    Ich arbeite daran!!

    • Kann ich gut verstehen, in diesem Jahr waren wir auch mit unserer VA 18 jede freie Minute auf der Talsperre in NRW unterwegs. Ich habe es Entschleinigung 2013 genannt. Wochentags wenn das Wetter passte habe ich spätestens um 12 Uhr das Büro verlassen und Überstunden abgebaut. Jeder Tag mit schlechtem Wetter erscheint als verlorener Tag.

  3. Du sprichst mir aus der Seele. Ich war heuer auch über drei Monate mit unserer SY Nambawan unterwegs und wie Wiedereingliederung ins Arbeitsleben fällt mir im Moment sehr schwer. Aber Morgen geht es ja wieder an Bord – wenn auch nur für ein paar Tage…

    Übrigens, sehr schöne Stimmungsbilder hast du da gemacht!

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