Böse Mutter.

Es gibt noch eine Geschichte nachzureichen. Über eine Mutter.

Segelboote sind sehr filigrane Gebilde. Da hier auch einige Nichtsegler mitlesen, sollte man das vielleicht erklären. Der Mast wird nur von Drahtseilen festgehalten, den Wanten und den Stagen. Der Mast wird einfach nur aufs Deck gestellt und dann mit diesen Drähten verbunden und gespannt. Macht man einen dieser Drähte ab oder gehen sie kaputt, dann fällt der Mast um. Und das ist gar nicht gut. Das tut übrigens auch weh.

Ich gehe letzte Woche in irgendeinem Hafen von Bord. Wie so oft. Ich trete auf dem Vorschiff barfuß auf etwas kleines Hartes. Es zieht im Fuß. Wie so oft. Normalerweise kenne ich dieses Gefühl von Kieselsteinen, die an Deck rumliegen, weil sie aus den Schuhen gefallen sind. Dann nehme ich die Steine und werfe sie ins Wasser. Dieses mal nicht. Dieses mal war es nämlich kein Stein. Es war eine Mutter. Aus V4A und selbstsichernd.

Muttern auf Segelbooten sind gut, wenn sie mit Schrauben verschraubt sind. Muttern ohne Schrauben sind nicht gut, ausser sie liegen in der Schraubenkiste. Denn das bedeutet, dass irgendwo eine Schraube ohne Mutter lose sitzt. Daher durchfuhr es mich auch wie bei einem Elektroschock, als ich die V4A Mutter erblickte. “Wo kommst Du denn her?” Wäre es keine V4A Mutter gewesen, hätte sie auch von irgend etwas unwichtigem her kommen können und ich wäre beruhigter gewesen. V4A Muttern sind aber seewasserfest. Und damit in jedem Falle wichtig auf einem Boot. Denn sie sind seewasserfest, damit sie nicht vergammeln. Sie sollen gefälligst lange sicher halten. Das ist ihre Aufgabe. Und “selbstsichernde Mutter” bedeutet, sie haben so einen kleinen Kunststoffmantel innen, der sie vorm ungewollten Lösen schützt. Noch ein Zeichen für die Wichtigkeit dieses herrenlosen Exemplars. Ich habe mich kurz umgesehen. Die Muttern an den Relingsstützen sind viel kleiner. Und sonst war nichts in der Nähe. Also – kurz kombiniert und überlegt – fuhr mein Blick langsam hoch. In den Mast. Denn davor lag die doofe Mutter.

In einem Mast sind nicht so sehr viele Schrauben. Doch dummerweise sind alle sehr wichtig. Die einzige, mit deren Verlust ich einigermaßen hätte leben können, wäre die Mutter gewesen, die den Fockfallabweiser sichert, der das Fockfall von der Rollanlage oben fern hält. Das hätte dann nur laut geklackert, wenn ich das Vorsegel ausgerollt hätte. Oder sich der Schäkel verfangen. Aber sonst? Salinge (ganz doll wichtig), Vorstagbefestigung (sehr, sehr wichtig), Oberwantenbeschlag (super wichtig). Wenn dort der Platz der Mutter gewesen wäre, hätte es nicht lange gedauert, bis der Mast umfällt. Immerhin rund 9 Meter Alurohr. Will man nicht. Weil das echt doof ist. Und auch scheisse aus sieht.

Dann fiel mir noch ein, dass die Windmessanlage sowie die Dreifarben-Positionslampe dort oben mit Schrauben und Muttern befestigt ist. Hört sich besser an? Ist es nicht. Denn eine etwa 1 Kilo schwere Lampe, die einem aus 9 Metern Höhe auf den Kopf fällt, ist auch doof. Und die Edelstahlplatte, auf der beides befestigt ist, ist verschraubt. Dann würde Windmeß und Lampe in einem Stück auf einer Platte runterfallen. Das wäre doppelt doof. Im Grunde genommen noch dööfer als ein umfallender Mast. Man stelle sich einen Nachruf vor… “Ach, dem ist die Lampe auf den Kopf gefallen..” Wie blöd ist sowas denn? Dann schon lieber spektakulär mit herunterkommendem Mast.

Ich habe lange dort gestanden. Und lange überlegt. Um ehrlich zu sein, war mir ziemlich mulmig. Man kann sich auf größeren Booten in einem sogenannten Bootsmannstuhl den Mast hochziehen lassen und nachgucken, vorausgesetzt, er fällt nicht um. Aber bei DIGGER geht das mangels Winschen nicht. Und einen Mastenkran gibt`s auf der kleinen Insel auch nicht. Wollte dann – typische Reaktion des Körpers – erst einmal aufs Klo gehen und schloss dazu das Vorluk, damit Polly nicht an Deck springt. Und siehe da: das Vorluk wackelte verdächtig. Innen an den Dämpfern fehlte eine Schraube. Die lag unten auf den Polstern. Und die Mutter lag in meiner Hand. Böse, böse Mutter, Du. Hast mir echt `nen Schrecken eingejagt.

Bildschirmfoto 2013-08-27 um 15.14.10

 

7 Gedanken zu “Böse Mutter.

  1. Huh, blödes Gefühl…
    Schlimmer ist nur, wenn da ein Ringsplint liegt.

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  2. Ich hab mal gehört, dass Regattaleute ihrem Konkurrenten kurz vor dem Start einen Ringsplint ins Cockpit praktizierten. Das ist auch nicht gut.

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  3. Muttern, Splinte, Bolzen, die aus einer Höhe von mehr als 2-3 Meter auf’s Deck fallen, bleiben selten an Deck liegen. Also nur die Ruhe ;o)))

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  4. Bootsstuhl, Mastkran? Kann man auf einer Varianta 18 nicht einfach den Mast legen? Mein Boot ist 5,90 Meter lang und zur Not kann ich den Mast auch alleine legen. Einfach die Grossschot zwischen Fockfall und Vorstag tüddeln, je nach Verstagung noch Wanten lose oder ab und los gehts.

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