Ich bin jahrelang durch die Ostsee gehetzt. Mit Plänen. Mit
geplanten Routen und Zielen. Wind und Wetter haben bei der Planung
keine Rolle gespielt. Wird schon passen. Herausgekommen ist oftmals
Knüppelei, Hetze und stundenlanges Motoren. Das Roulettesegeln war
eine Art Protest dagegen. Und ein Selbstversuch. Hinterher sehen,
was dabei rauskommt. In der Praxis sieht das so aus:
1. Unterwegs entscheiden. Ich habe oft abgelegt, um Hafen x zu erreichen. Der
Wind ist allerdings oft anders, als man denkt. Kommt ich dann an
einem Fahrwasser vorbei, dass auf Halbwindkurs liegt: rein! Mal
gucken wo ich da rauskomme. Das hat dazu geführt, dass ich keine
Routen mehr auf dem Plotter anlege. So habe ich übrigens auch meine
geheime Lieblingsstelle gefunden. Ich segle nirgendwo hin, sondern
komme irgendwo an. Letzte Woche ” wollte” ich nach Birkholm. Im
Fahrwasser musste ich kreuzen. Keine Lust. Dazu standen schon viele
Masten dort. Statt dessen bin ich vorm Wind weiter, und als ich
dann irgendwann ne 5 bekam und 2,5 Knoten Strömung gegenan bin ich
zum nàchsten Hafen. Rudkøbing. Belohnt wurde ich mit den besten und
kostenlosen Duschen der Tour.
2. An- und ablegen. Es ist mir nun
zwei mal passiert, dass ich in einem Hafen gelandet bin, weil der
Wind weg war oder blöd kam. Nach einer Weile kam wieder Wind und
als er stabil wurde, habe ich abgelegt und bin weiter gesegelt. Das
kann gut oder “schlecht” sein. Beispiel: Um 14 Uhr nach 4 tollen
Segelstunden bei Flaute das hyggelige Fjellebroen gefunden und
festgemacht. Um 15:30 abgelegt, weil schöner Südwest kam. In
Svendborg gelandet. Fjellebroen ist schöner. Aber ich hatte nochmal
traumhaftes Segeln.
3. Zeit verschwindet. Wer nicht irgendwann
irgendwo sein will oder muss, für den ist die Zeit eine völlig
uninteressante Komponente. In einer Welt, in der Uhren und Kalender
das Leben bestimmen, tut das unglaublich gut. Kalenderwoche?
Wochentag? Uhrzeit? Was ist das? Ich weiß, dass morgens früh die
Sonne aufgeht und sehr spät abends unter. Mehr muss ich nicht
wissen.
4. Segeln entspannt. Nicht segeln auch. Ich habe keine
Vorgaben für Tagesetappen. Schläft der Wind mal ein oder kommt aus
der falschen Richtung, ist mir das egal. Segeln entspannt. Segeln
ohne Plan ist die Perfektionierung. Ebenso sieht es aus, wenn man
festsitzt. Es ist mir egal. Ich habe Zeit, bin auf dem Boot, lebe
auf dem Wasser, bin am Meer. Segeln geh ich eh immer wieder. Es
könnte schlimmeres geben.
5. Details wahrnehmen. Hat man viel Zeit,
nimmt man mehr um sich herum wahr. Ich habe Segler kennen gelernt,
die spät Abends ankamen, schlafen gingen und ablegten: ” Wir wollen
nach XY.” Dass sie dabei wunderschöne Reviere, Orte und Inseln
verpassen, wissen sie oft nicht. Habe gestern ein Paar wieder
gesehen, die ich letzten Sommer im Kattegat kennen lernte. Die
machen dieses Jahr auch auf rumeiern. ” Wir hatten teilweise 6
Meilen am Tag. Es ist egal. Es ist einfach nur entspannend.”
Sicher werde ich nicht immer so Segeln gehen. Auch ich habe noch ferne
Ziele. Aber alles zu seiner Zeit. Und nun ist Roulettezeit. Kann mir gerade nicht besseres vorstellen.
Welcher Tag ist nochmal?
Großartig! Ich weiß, das Du weißt, wie priveligiert Du bist. Schön, daß ich teilhaben kann.
Cheers!