Die folgenden Zeilen schreibe ich ohne Angaben von Zeiten
und Routen. Ich werde falsche Angaben machen und auch richtige.
Ganz sicher werde ich falsche Fährten legen. Warum? Weil ich einen
Ort gefunden habe. Einen Ort, den ich entdeckt habe und für mich
behalten werde. Ich werde nicht einmal verraten, wann ich diesen
Ort besucht habe und wann dieser Artikel geschrieben wurde. Ich
bitte auch alle, die wissen wo ich diesen Ort gefunden habe, dieses
für sich zu behalten. Geht los:
„Stephan trägt übrigens mit seinen Revierführer-Filmen die
Schuld, dass viel mehr Segler nach Lyø fahren.“ Die vorstellenden
Worte, die Max zu seinem Freund Jakob sagte, gingen bei mir runter
wie Öl. Und zwar wie ranziges Öl, dass mit Sand und vergammeltem
Fisch versetzt ist. Wenn dem wirklich so sein sollte, tut mir das
irre leid. Ich habe Lyø 2002 kennen gelernt. Wir bekamen den Tipp
damals in einer Kneipe auf Ærø von einer alten Dame, die auch noch
„Lykken“ (bedeutet so viel wie „Glück“) hiess. Lykken gab uns
diesen Geheimtipp mit auf den Weg. Damals war Lyø noch ein kleiner,
enger Fischerei- und Fähranleger, in dem auch Platz für ein paar
Segelboote war. Im letzten Jahr war ich etwas geschockt, wie groß
der Hafen ausgebaut wurde und was dort im Sommer los ist. Mag es
der Insel vielleicht auch wirtschaftlich gut tun, hat Lyø viel von
dem verloren, warum es mal mein Lieblingsziel in der dänischen
Südsee war. Für viele ist Lyø dennoch der Einstieg in eine tiefere
Ebene dieses Reviers, fernab von den großen Häfen mit Automaten und
Restaurants am Steg. Es geht aber noch viel tiefer. Der alte Hafen
von Drejø zum Beispiel. Allerdings wurde auch der wohl von den
Motorbratzen entdeckt, die diesen Hafen am Wochenende übervölkern
und in dem man laute Musik hört. Musik, die man nicht hören will.
Schon gar nicht in Drejø Gamle Havn. Das ist die Vorgeschichte. Ich
habe einen Ort gefunden. Einen Ort, der eine unglaublich
eigenständige Ausstrahlung hat. Ich werde nicht verraten, ob dieser
Ort eine Insel ist oder einfach nur ein Fleckchen Erde auf Fyn,
Langeland oder Ærø. Ganz große Boote passen hier nicht hinein. Bei
35 Fuß ist definitiv Schluß. Was nicht ungewöhnlich ist: dieser Ort
ist wunderschön. Denn irgendwie ist hier alles wunderschön.
Amerikanische Segelyachten ankern in der Region, weil es – 1000 mal
geschrieben und immer noch gültig – eines der schönsten
Segelreviere der Welt ist. Und dann segelte ich zufällig zu dem
Ort, den ich einfach mal Lykken nenne. Nach dem Anlegen war es
zunächst wie immer: Ich habe Polly genommen und bin erst mal durch
Lykken gegangen. Schön hier. Wieder mal. Der Hafen war nicht
besonders voll. Ein paar Dänen kommen zu Tagesbesuchen her und
legen dann wieder ab. Wegen des guten Wetters habe ich entschieden,
hier einen Strandtag zu machen. Wobei der Begriff Strand, seitdem
ich das SUP als Dingi habe, einen anderen Stellenwert bekommen hat.
Ich suche immer nach einsamen Stränden, die man nicht zu Fuß
erreicht. Habe ich auch hier gefunden – schöner als alle anderen
bisher. Keine Steine im Sand. Ein paar Algen und Wasser. Wasser mit
Farbe und Klarheit, die an Gin erinnert. Abends bin ich noch einmal
herumgelaufen. Und habe noch viel mehr Schönes entdeckt. Wenn man
Zeit für etwas hat, schärft man die Sinne für Details. Viele Segler
legen in Häfen an, klaren das Schiff auf, stellen den Cobb an Land,
„grillen“, gehen zurück aufs Schiff, schlafen, duschen und legen
ab. Ob ein Törnziel schön ist, hängt für sie dann von den sanitären
Anlagen oder der WLAN Qualität ab. Wie bereits gesagt: ich bekam
vor kurzem als „Geheimtipp“ von einer Dame den Handelshafen von
Faaborg genannt… Vor ein paar Tagen schrieb mir der Redakteur des
Magazins „Adrenalin“, ob ich irgendwann in den nächsten Tagen Zeit
hätte, ein Skype-Interview zu führen. Ich schlug vor, dass zu
machen, sobald ich einen Hafen mit Internet habe (mein Stick ist
leider kaputt). Nun war ich in „Lykken“ und ich war noch nicht
fertig mit „Lykken“. Abends, als ich mit einem – ich nenne jetzt
keine Namen – anderen Segler gegrillt habe, der die Besonderheiten
hier auch erkannt hat (er hat auch Zeit), habe ich eine Münze
geworfen. Und diese Münze entschied: „Stephan, bleib noch. Fahr
nicht.“ Also bin ich am nächsten Morgen mit meinem Rechner
bewaffnet losgezogen, auf dem Weg nach einem Hotspot. Was hier
ziemlich absurd wirkt. Ein Hotspot hier ist so wahrscheinlich
wie ein Tyrannosaurus Rex, der in einem Ferrari F40 telefonierend
an einem vorbei fährt und den Stinkefinger zeigt, während sich
Hello Kitty auf dem Beifahrersitz rasiert. Keine 200m vom Hafen
entfernt fuhr der Ferrari an mir vorbei. Vor einem wunderschönen
Haus, sitzt zu dieser frühen Morgenstunde eine wunderschöne, ältere
Dame in einem wunderschönen Kleid draussen auf der Wiese. Sie
trinkt einen Kaffee, liest in einem Buch und schenkt mir unter
ihrem Sonnenhut ein wunderbares Lächeln, während sie mich grüßt.
Ich grüße zurück, gehe ein paar Meter, drehe mich um und spreche
sie an: „Entschuldigung, dass ich störe. Ich habe eine etwas
ungewöhnliche Frage. Ich brauche dringend eine Internetverbindung.
Gibt es hier irgendwo die Möglichkeit, einen Hotspot zu finden?“
„Ja, natürlich. Du kannst mein Internet benutzen. Such dir hier
irgendwo im Garten einen Platz. Ich gehe schnell ins Haus und
schaue mal nach dem Passwort.“ Man stelle sich das in
Deutschland vor. Kann ich nicht. Leider – oder
vielleicht zum Glück – fand sie das Passwort nicht und ihr Mann war
telefonisch nicht erreichbar. Sie gab mir aber einen Rat: „Gehe ein
Stück weiter. Zu dem Hof. Frag mal dort. Die wissen hier alles.
Vielleicht können sie Dir helfen.“ 3 Minuten später höre
ich wiederum von einer Dame, die sehr gut deutsch spricht, folgende
Antwort: „Nein. So etwas gibt es hier nicht. Aber ich gehe schnell
rein und hole das Passwort. Du kannst unser Internet gerne
benutzen.“ 2 Minuten später sitze ich auf einer
Holzbank, lese eMails, trinke einen leckeren Kaffee in der Sonne
und halte meine Münze vom Vorabend in der Hand. „Danke, Münze.“ Ich
war froh, geblieben zu sein, denn es folgte eine tolle
Unterhaltung. Auf diese gehe ich nicht näher ein, weil sie den Ort
verraten könnte. Am Abend ging ich wieder hin, um das Chat
Interview zu führen. Es dauerte etwa anderthalb Stunden. Neben mir
stand ein eiskalter Cidre, der Herr des Hauses deckte draussen
einen alten Holztisch wundervoll ein. Private Gäste kamen zum
essen. Während ich schrieb, schritt eine Frau in den Hofeingang,
sie trug ein schönes Kleid und roch an einer Blume, die sie in der
Hand trug. Ihr Mann lächelte mich an und grüßte freundlich. Der
Herr des Hauses kam zwischendurch zu mir und unterbrach meinen
Chat: „Soll ich Dir einen Tisch bringen? Das ist zum schreiben
bequemer. Und ist mein Internet schnell genug?“ Man
stelle sich das in Deutschland vor. Kann ich nicht. Ich
dachte zwischendurch, dass ich irgendwo hier in irgendeinem Sund in
den letzten Tagen gekentert und nun im Himmel sei. Gestern Abend
traf ich mich wieder mit dem Mitsegler. Er sagte zu mir: „Alter,
man kriegt hier das Dauerlächeln nicht mehr aus dem Gesicht, oder?“
Er bleibt übrigens auch noch hier. Ich bin nach knapp 7
Wochen angekommen. Die Zeit fühlt sich an wie die Überquerung eines
Ozeanes. Und nun habe ich auf der anderen Seite des Ozeanes eine
Trauminsel entdeckt. Ich habe ein Ziel erreicht, dass nie eines
war. Ich hatte kein Ziel, und habe es dennoch gefunden. Alles hier
passt. Das große Hoch über Europa, die Menschen, der Hafen, die
Natur, die versteckten Strände. Und dieser überwältigende Blick auf
das dänische Inselmeer, wenn die Sonne untergeht. Ab jetzt beginnt
die Rückreise. Ich kenne ihre Route noch nicht. Aber auch wenn ich
weiter segle, wird es die Rückreise sein. Und um es ganz doll
kitschig zu machen: ich schreibe diesen Text in der Zeit von 6 Uhr
15 bis 7 Uhr 11. Ich sitze am Hafen auf einer Bank in der Sonne.
Neben mir ein Kaffee. In einer Dreiviertelstunde nehme ich Polly,
gehe 500 Meter weiter. Dort liegt an einem Haus wie verabredet eine
Tüte. Auf der steht „DIGGER“. Darin befindet sich ein Brot, welches
heute morgen für mich auf Bestellung gebacken wurde. Ich kenne alle
Zutaten, die sich darin befinden. Sie wurden mit mir besprochen.
Auf dem Weg dorthin werde ich sicher wieder die ältere Dame vor
ihrem Haus treffen. Und dann gehe ich schwimmen. Lykken. Glück.
Nichts anderes. href="/wp-content/uploads/2013/07/P1180218.jpg">
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Ich freue mich für dich und mit dir.
VG aus dem Südosten der bunten Republik
Ich bin gleich da. Warte kurz!
da bekommt man fast feuchte Augen beim Lesen… berührender Text zu einem wohl berührenden Ort. Schöne Rückreise!
Ich kann mich Joe nur anschließend. Genieße deine Zeit und tanke das Glück für uns die dich begleiten mit.
Gruß Marco
Das hört sich einfach traumhaft an!!! Neid, aber behalte das Geheimnis bloß für Dich!!!!! Und genieße mit Polly!!!!
Gut, lass uns mal den Geheimtipp einen Geheimtipp bleiben lassen und lösche meinen früheren Kommentar…
Viel Spaß noch!
Danke für die stille Zustimmung per selektivem Freischalten meiner Kommentare;)
Was habe ich jetzt eigentlich gewonnen?? Einen DHI-Becher?
Also Ristinge Havn ist sehr schön. Toll dass du es auch gefunden hast
: Spielverderber!
Schön falsch. Ganz falsche Ecke.
Seit wann läuft hier das Spiel “Finde den Hafen”?
Ristinge Havn ist aber auch schön
Ha! Kenn ich auch!
Das Lindelse Nor ohne tonnen und sonst was!
Hmm.. Wahrscheinlich gehört auch dies zu dem Konzept des Buches……
Finde deinen Blog ganz unterhaltsam, aber auch extrem kommerziell.
Nichts wirklich Neues und auch keinen ehrlichen Einblick in die “Seele”.
Alles Gute für dich.
Hol dir das Buch besser nicht. Denn Bücher werden verkauft und sind daher auch “extrem” kommerziell. Auch wenn viel über mein Seelenleben drin steht.
Und wenn Du denkst, dass ich hier mit diesem Artikel antease und im Buch auflöse: Nein. Das Buch handelt im übrigens von der Reise 2012.
Du kannst ja hier weiter kostenlos unterhalten werden. Außer der Kosten für deine Internetverbindung. Damit hab ich aber nichts zu tun. Ich schreibe hier umsonst. Bekomme nichts dafür. Das sollte Dir ein besseres Gefühl geben, als ein Buch zu kaufen, oder?
Ich freu mich auf das Buch und kaufe mir bestimmt eins:
In der Hoffnung, dass es dann vielleicht noch mal ein zweites gibt. Auch Autoren leben ja leider nicht von Luft(oder Wasser)und Liebe.
( Gabi, Achtung, kommerz!) Zweites ist in der Mache.
War vorgestern an einem Ort der deiner Beschreibung sehr nahe kommt. Ein Kennzeichen: 100 Kr. für alle Schiffslängen.
Pingback: Jahresrückblick, Teil 2. Häfen. | DIGGER Hamburg